Aktionswochen im Herbst
Ein Bündnis aus Verbänden und Initiativen startet vom 13. September bis 13. Oktober 2024 Aktionswochen für eine gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft. Unter dem Motto „Keine Gentechnik auf unseren Äckern und Tellern“ wird über die Veränderungen in der Lebensmittelerzeugung durch die Deregulierung des EU-Gentechnikrechts informiert. ⇒ Auch bei uns können Sie dann Ihre Fragen zum Thema loswerden: Tel. 0681 50089-25.
Welche Chancen und Risiken gibt es bei der neuen Gentechnik?
Die neue Gentechnik weckt Hoffnungen – die Landwirtschaft soll mit ihrer Hilfe nachhaltiger werden, den Hunger in der Welt mindern oder besonders nährstoffreiche Pflanzen kreieren. Das hat auch schon die alte Gentechnik versprochen – und ihre Versprechen nicht gehalten. Hervorgebracht hat sie vor allem herbizidresistente Pflanzen, die mit firmeneigenen Unkrautvernichtungsmitteln behandelt werden können. Ein einträgliches Geschäft für die Saatgut-Konzerne.
Damit Pflanzen resistenter gegenüber Hitze, Trockenheit oder Schädlingen sind, reicht es nicht aus, nur ein einzelnes Gen zu verändern, dahinter stehen komplexe Vorgänge in der Pflanze. Ob sich mittels Gentechnik tatsächlich solche Sorten entwickeln lassen?
Die Risiken liegen auf der Hand: So kann es zu ungewollten und unerwarteten Effekten im Organismus kommen, die es bei der konventionellen Züchtung so nicht geben kann. Im Labor sind die Folgen noch überschaubar, aber bei der Freisetzung ins Ökosystem kaum beherrschbar.
Zusätzlich ist die gentechnikfreie Landwirtschaft genauso wie die Bio-Landwirtschaft bedroht. Durch eine strenge Regulierung und Kennzeichnung der neuen Gentechnik muss die EU sicherstellen, dass auch zukünftig eine gentechnikfreie Landwirtschaft möglich ist, und diese vor Kontaminationen durch gentechnisch veränderte Organismen geschützt wird. Nach Auffassung des EU-Parlaments sollen Bio-Produkte weiterhin gentechnikfrei bleiben.
Was ist alte Gentechnik und wo wird sie eingesetzt?
Bei der herkömmlichen Gentechnik werden artfremde Gene mit Hilfe einer sogenannten Genkanone oder durch bestimmte Bakterien in das Erbgut eingebracht. Auf diese Weise sollen Pflanzen neue Eigenschaften erhalten. Dazu gehört im Wesentlichen eine Resistenz gegen Schadinsekten (Bt-Pflanzen) oder gegen Herbizide. Diese Methode ist sehr ungenau und birgt unerwartete Wechselwirkungen. Außerdem werden artfremde in die Zelle eingebracht. Unabhängige Langzeitstudien zu Risiken und Wechselwirkungen gibt es häufig nicht.
Die Kulturpflanzen Soja, Mais, Zuckerrüben, Baumwolle und Raps werden dennoch häufig als gentechnisch veränderte Varianten angebaut. Hauptanbauländer sind Nord- und Südamerika sowie Indien und China, wo vor allem Baumwolle wächst, sowie rund vierzig weitere Länder mit überwiegend kleineren Flächen.
In Europa gibt es laut transGEN für insgesamt 97 gentechnisch veränderte Pflanzen Zulassungen für den Import und die Verwendung als Lebens- oder Futtermittel. Nur eine einzige Pflanze (Mais Mon810) ist auch für den Anbau in der EU freigegeben. Beim Soja haben etliche Sorten eine Herbizidresistenz, sodass glyphosathaltige Spitzmittel eingesetzt werden können. Bei der gentechnisch veränderten Zuckerrübe gibt es eine Zulassung für eine herbizidresistente Linie. Beim Mais sind dutzende Sorten erlaubt, die meist eine Resistenz gegen Schadinsekten oder gegen bestimmte Herbizide haben. Dabei geht es vor allem um das Breitbandherbizid Roundup des Chemiekonzerns Monsanto (heute: Bayer) mit dem Wirkstoff Glyphosat.
Insbesondere gentechnisch verändertes Soja landet oft als Futtermittel in unseren Ställen. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2020 fast 4 Millionen Tonnen Sojabohnen nach Deutschland importiert, vor allem aus den Vereinigten Staaten (1,9 Millionen Tonnen) und Brasilien (1,4 Millionen Tonnen).
Wie müssen gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU gekennzeichnet werden?
Seit 2004 ist in der Europäischen Union die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Zutaten bei Lebensmitteln Pflicht. Es gilt die sogenannte prozessorientierte Kennzeichnung: Wenn gentechnisch veränderte Zutaten bei der Herstellung eingesetzt werden, müssen sie gekennzeichnet sein, auch wenn sie nicht mehr im Lebensmittel nachweisbar sind. Enthält ein Lebensmittel oder eine einzelne Zutat mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Anteile, muss es in der Zutatenliste, auf dem Etikett oder auf einem Schild in der Kantine beziehungsweise an der Theke als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden.
Doch es gibt Lücken im Kennzeichnungssystem. Werden Zusatzstoffe, Enzyme oder Vitamine mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt, muss auf Lebensmitteln, die diese Zutaten enthalten, keine Kennzeichnung erfolgen. Dasselbe gilt für Fleisch, Fisch und Eier, wenn sie von Tieren stammen, die gentechnisch verändertes Futter gefressen haben.
Unser Standpunkt
Die Verbraucherzentrale Saarland setzt sich für das Vorsorgeprinzip ein. Das gilt auch für das Gentechnikrecht und die neue Gentechnik. Selbst wenn mit genetisch veränderten Pflanzen tatsächlich bessere Ergebnisse im Bereich Haltbarkeit, Resistenz oder Inhaltstoffe erzeugt werden können, sind potenzielle Risiken und Auswirkungen nicht absehbar.
Wir fordern daher, dass mit Hilfe von gentechnischen Verfahren erzeugte Pflanzen, Organismen und Tiere verbindlich gekennzeichnet werden – das gilt auch für die neue Gentechnik. Nur so lässt sich die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher sichern, und es wäre weiterhin noch Landwirtschaft ohne Gentechnik wie Ökolandbau möglich. Zugleich ist es wichtig, zuverlässige Nachweisverfahren für die neue Gentechnik zu entwickeln.
Wie sollen gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft gekennzeichnet werden?
Im Februar 2024 haben sich die Abgeordneten des EU-Parlaments mehrheitlich für weniger Regulierung bei der Kennzeichnungspflicht von mit neuen genomischen Züchtungstechniken (NGT) wie CRISPR/Cas erzeugten Pflanzen ausgesprochen. Während Pflanzen, die mit der alten Gentechnik verändert wurden, weiterhin zu kennzeichnen sind, sollen Produkte der neuen Gentechnik in zwei Gruppen eingeteilt werden. Diejenigen, die als „gleichwertig“ zu herkömmlichen Züchtungen gelten, können ohne Zulassungsverfahren und ohne Kennzeichnung in den Handel kommen. Eine Liste dieser Pflanzen soll im Internet abrufbar werden. Patente auf sämtliche NGT-Pflanzen sollen jedoch nach Auffassung der Abgeordneten verboten werden.
Das heißt: Die verpflichtende Risikoprüfung und Risikobewertung, Zulassungsverfahren, die Kennzeichnungspflicht, die Rückverfolgbarkeit und das Monitoring genehmigter gentechnisch veränderter Organismen sowie Haftungsregelungen, Transparenz und Wahlfreiheit könnten bald der Vergangenheit angehören. Der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) liegt übrigens bereits ein Antrag auf Importzulassung von mit Crispr/Cas manipulierten Mais vor.
Damit missachtet die EU-Kommission unseres Erachtens das Vorsorgeprinzip und den Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher nach der Wahlfreiheit, wenn es um gentechnisch veränderte Lebensmittel geht. Wir setzen uns daher für eine konsequente Kennzeichnung beim Einsatz von Gentechnik ein, unabhängig davon, ob es sich um alte oder neue Gentechnik handelt. Das wollen auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher.
Völlig unverständlich ist der voraussichtliche Vorschlag der EU-Kommission auch im Lichte einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Noch im Juli 2018 hatte der EuGH festgestellt, dass neue Verfahren wie CRISPR/Cas zur Gentechnik zählen und somit nach Gentechnikrecht und Vorsorgeprinzip reguliert und gekennzeichnet werden müssen. Das Urteil wurde auch von den Verbraucherzentralen begrüßt. Schließlich sind eventuelle Wechselwirkungen mit der Umwelt vielfach nicht bekannt, und es besteht weiterhin Forschungsbedarf über die Wirkungsmechanismen und Risiken. Mit ihrem Gesetzesentwurf konterkariert die Kommission aus unserer Sicht das Urteil des EuGH.
Warum sich die Industrie für Gentechnik stark macht?
Der Einsatz der Gentechnik in den zurückliegenden Jahren hat gezeigt, dass es in erster Linie um die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen geht. Exemplarisch hierfür steht der Anbau von gentechnisch verändertem Soja in Nord- und Südamerika. Die Pflanzen sind resistent gegen das Total-herbizid Round-up (Glyphosat) des Chemiekonzerns Monsanto, das gesundheitlich sehr bedenklich ist und in der EU verboten werden soll. Monsanto bescherte sein Soja über Jahre satte Gewinne. Die Landwirte kaufen nämlich praktischerweise sowohl das gentechnisch veränderte, teurere Saatgut als auch das Herbizid bei Monsanto (inzwischen Bayer) ein.
Dabei zeigt der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wie Soja oder Zuckerrüben in den USA, dass Unkräuter mit der Zeit resistent gegen Glyphosat werden. Da nur dieses eine Pestizid eingesetzt wird, können die zufällig durch Mutation mit Resistenzen ausgestatteten Unkräuter die nicht-resistenten verdrängen, sodass die Erträge rapide zurückgehen. Die Folge: Es muss mehr giftiges Pestizid eingesetzt oder auf alte, noch umweltschädlichere Mittel zurückgegriffen werden. Und auch das ist wieder nur ein Spiel auf Zeit. Wird wieder jahrelang das gleiche Herbizid eingesetzt, werden die Resistenzen wieder zunehmen. Daher fordert die Wissenschaft eine Abkehr von diesem System und eine nachhaltigere Lösung mit vielseitigen Fruchtfolgen, Mischkulturen oder die Anpflanzung von Bodendeckern.
Unser Rat
Wenn Sie sichergehen wollen, dass keine Gentechnik in ihren Lebensmitteln steckt, sollten Sie zu Bio-Lebensmitteln greifen. Bio-Betriebe setzen gemäß den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung (noch) keine Gentechnik ein und beziehen sich bezüglich der neuen Techniken auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach es sich auch bei der neuen Gentechnik um gentechnische Verfahren handelt.
Sie können aber auch gezielt nach Produkten mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel Ausschau halten. Das Label, das 1998 erstmals zugelassen wurde, findet sich inzwischen nicht nur auf Milchprodukten oder Eiern, sondern auch auf Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch, Wurstwaren, Teigwaren, Käse, Gemüsekonserven, Getreideprodukten, Getränken und Honig. Doch Achtung, das Verfüttern von gentechnisch veränderten Pflanzen ist nur für einen festgelegten Zeitraum vor der Schlachtung verboten. Das bedeutet konkret: Ein Tier darf für eine bestimmte Zeit gentechnisch veränderte Futtermittel fressen, und trotzdem kann das Fleischprodukt im Regal dann mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ deklariert werden. Außerdem dürfen im Futtermittel Zusätze wie Enzyme, Aminosäuren und Vitamine enthalten sein, die mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt wurden. Auch gentechnisch hergestellte Veterinär-Arzneimittel und Impfstoffe sind erlaubt.