BGH-Urteil: Postbank kann Zustimmung nicht uneingeschränkt einholen

Stand:
Banken können Ihre Zustimmung, etwa zu geänderten AGB, nicht uneingeschränkt einholen. Das entschied der Bundesgerichtshof. Derzeit melden sich aber vermehrt Verbraucher:innen, deren Girokonten gekündigt wurden, weil sie nicht zustimmten. Dürfen Banken kündigen - und was können Sie dagegen tun?
Bundesgerichtshof

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Klauseln zu Preiserhöhungen und Vertragsanpassungen in den AGB der Postbank unwirksam sind.
  • Die Bank hatte ihre Kunden über Änderungen informiert und es als Zustimmung gewertet, wenn Kunden darauf nicht geantwortet haben.
  • Die Klauseln sollten sehr viel genauer nachvollziehbar machen, dass Änderungen nur unter bestimmten Bedingungen möglich sind.
  • Banken kündigen derzeit vermehrt Verbraucher:innen, die den AGB nicht aktiv zugestimmt hatten.
On

Verbraucherzentrale Bundesverband verklagte Postbank

In den letzten Jahren haben viele Banken Kontoführungsgebühren eingeführt oder die Gebühren von kostenpflichtigen Konten erhöht – auch die Postbank. Sie konnten sich dagegen nur bedingt wehren, denn in den unterzeichneten AGB der Bank waren Klauseln zu Vertragsänderungen und Preiserhöhungen enthalten. Diese "fingieren" Ihre Zustimmung – das heißt: Wenn Sie nicht aktiv widersprechen, nimmt die Bank an, dass Sie die Änderung akzeptieren. Widersprachen Sie einer solchen Änderung, mussten Sie aber auch damit rechnen, dass Ihnen die Bank kündigt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) verklagte daher die Postbank, in deren AGB sehr offen formulierte Klauseln zu möglichen Vertragsänderungen aufgeführt werden. Diese wurden und werden werden zum Teil so oder so ähnlich auch branchenweit verwendet. Am 27. April 2021 gab der BGH dem vzbv Recht: Klauseln zu möglichen Vertragsänderungen, die so formuliert sind, dass die Bank sich eine fingierte Zustimmung einholen kann, um ihre AGB uneingeschränkt zu verändern, benachteiligen Verbraucher:innen unangemessen und sind unzulässig.

Worum ging es genau?

Dass auch Banken sich mit den entsprechenden Klauseln das Recht vorbehalten, Teile ihrer Verträge anzupassen, ist normal. Die Klauseln vieler Banken – wie auch der Postbank – waren und sind zum Teil aber so offen formuliert, dass für Verbraucher:innen nicht mehr ersichtlich ist, welche Änderungen durchgeführt werden dürfen. Mit den Klauseln könne der gesamte Vertrag uneingeschränkt und ohne ausdrückliche Zustimmung von  Kund:innen umgestellt werden, kritisierte der vzbv.

Er forderte daher, dass Banken und Sparkassen in Zukunft ausdrücklich festhalten müssen, unter welchen Umständen und in welchen Grenzen sie einen Vertrag ändern dürfen. Dadurch können Sie schon bei Eröffnung Ihres Kontos abschätzen, in welchem Rahmen sich die Konditionen verändern könnten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Zunächst einmal bedeutet das Urteil, dass die Postbank die Klauseln in ihren AGB entsprechend anpassen sollte: Vertrags- und Preisanpassungen sollten dann transparent und nachvollziehbar geregelt sein. Wenn Sie ein Konto bei der Postbank haben, sollten Sie über diese Änderungen informiert werden.

Generell ist das Urteil für Sie ein gutes Zeichen. Tatsächlich haben viele Banken und Sparkassen in der Vergangenheit auf Grundlage dieser und vergleichbarer Formulierungen Leistungs- und Preisänderungen durchgesetzt. Nach dem Urteil haben zahlreiche Banken und Sparkassen inzwischen ihre Kund:innen zwecks Zustimmung zu neuen AGB und gegebenenfalls auch neuen Preisen kontaktiert.

Dürfen Banken mir kündigen, wenn ich den neuen AGB (und Preisen) nicht zustimme?

Teilweise kündigen Banken und Sparkassen Verbraucher:innen, die den neuen AGB und Preisen nicht zustimmen. Generell dürfen Banken Ihnen das Girokonto kündigen. Der Gesetzgeber macht hierzu im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmte Vorgaben, etwa wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und ein Kündigungsrecht vereinbart wurde. Das war bei den Girokonten, die den Verbraucherzentralen bekannt sind, der Fall. Insbesondere ist in den Banken-AGB ein Kündigungsrecht vereinbart.

Für eine solche ordentliche Kündigung müssen die Banken keine Begründung nennen. Sie müssen allerdings mindestens eine Kündigungsfrist von 2 Monaten beachten.

Insbesondere die privaten Banken dürfen Ihnen das Girokonto also bei Beachtung der oben genannten Voraussetzungen kündigen.

Für Sparkassen gelten außerdem weitere Einschränkungen. Diese dürfen Ihnen das Girokonto nur kündigen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Es ist bisher gerichtlich nicht geklärt, ob es sich um besagten berechtigten Sachgrund handelt, wenn Sie Ihre Zustimmung zu neuen AGB und Preisen verweigern.

Bei den Genossenschaftsbanken, also insbesondere den Volks- und Raiffeisenbanken, macht die jeweilige Satzung es Banken womöglich schwerer, Girokonten von Kund:innen zu kündigen. Und zwar dann, wenn Sie gleichzeitig auch Mitglieder der Genossenschaft sind. Je nach Satzung haben Genossenschaftsmitglieder unter Umständen Anspruch auf ein Girokonto. Dann müssten zusätzlich auch die Voraussetzungen erfüllt sein, die die Mitgliedschaft in der Genossenschaft beenden. Allerdings sind uns auch hier keine Gerichtsurteile bekannt, die sich nach dem Urteil des BGH vom 27. April 2021 mit der Frage der Rechtswidrigkeit einer Kündigung im Einzelfall befassen.

Gut zu wissen: Die Bank darf nur Verträge im Rahmen vertraglicher Kündigungsfristen kündigen. Das heißt: Einen Baukredit etwa darf sie nicht vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigen.

Was kann ich im Fall einer Kündigung tun?

Sie müssen davon ausgehen, dass die Bank zum Kündigungstermin keine Leistung mehr erbringt. Ab dann werden zum Beispiel keine Lastschriften mehr gebucht, wie etwa Miete, Strom oder Gas, und keine Einzahlungen wie Gehalt oder Rente mehr entgegengenommen. Bargeldabhebungen und Kartenzahlungen sind dann ebenfalls nicht mehr möglich.

Achtung bei Kartenzahlungen

Nicht jede Kartenzahlung wird sofort von Ihrem Konto abgebucht. Zahlen Sie einige Tage vor dem Kündigungstermin noch mit der Karte, kann es sein, dass der Händler erst dann versucht abzubuchen, wenn das Konto schon geschlossen ist. Da er dann kein Geld erhält, wird er voraussichtlich ein Inkassoverfahren einleiten, was für Sie wahrscheinlich mit zusätzlichen Mahnkosten verbunden ist.

Vor diesem Hintergrund sollten Sie rechtzeitig entscheiden, wie Sie weiter vorgehen wollen. Sie haben mehrere Möglichkeiten:

  1. Sie leiten rechtliche Schritte ein: Wie dargestellt dürfen Banken Ihnen das Girokonto grundsätzlich kündigen. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken gibt es zwar Gegenargumente, es ist aber ungewiss, wie die Gerichte hierzu entscheiden. Wenn Sie sich gerichtlich wehren wollen, sollten Sie sich daher anwaltlich zu den Erfolgschancen und dem Kostenrisiko beraten lassen. Ein erster Schritt kann es sein, den zuständigen Ombudsmann einzuschalten.
  2. Sie wechseln den Anbieter: Viele Verbraucher:innen verweigern die Zustimmung zu den neuen Vertragsbedingungen, da damit auch eine Preiserhöhung oder die Einführung neue Entgelte einhergeht. Dann kann der Anbieterwechsel eine Option sein. Tipps, Checklisten und Musterbriefe zum Anbieterwechsel finden Sie in diesem Beitrag. Bei der Stiftung Warentest finden Sie einen Girokonto-Vergleich, der auch Gratiskonten umfasst.
  3. Sie bleiben bei der Bank: Womöglich entscheiden Sie doch, bei Ihrem bisherigen Kreditinstitut zu bleiben. In diesem Fall sollten Sie schnellstmöglich Kontakt mit Ihrer Bank aufnehmen und klären, ob sie die Kündigung zurückzieht. Einen Anspruch darauf haben Sie allerdings nicht. Sehr wahrscheinlich wird die Bank die Zustimmung zu den neuen AGB zur Bedingung machen.

Podcast: Das Wichtigste zum Nachhören

Viele Banken haben in der letzten Zeit unrechtmäßig die Kontogebühren erhöht. Die Rückzahlung der zu Unrecht kassierten Gebühren verläuft schleppend. Finanzexperte Niels Nauhauser spricht in dieser Podcast-Folge über dieses Ärgernis und gibt Tipps zum Kontowechsel.

 

 

Wir informieren Sie weiterhin

Mit dem Urteil wurden Klauseln zur Änderung der Vertragsbedingungen zu Fall gebracht. Dies betrifft neben Preiserhöhungen vermutlich auch weitere Vertragsänderungen.

Bankkund:innen haben vor dem Hintergrund dieses Urteils grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Geld von Ihrer Bank zurückfordern können.

Ratgeber-Tipps

Ratgeber Photovoltaik
Wer ein Stück weit unabhängig von den Preiskapriolen der Energieversorger werden will, kümmert sich um die Anschaffung…
Handbuch Pflege
Als pflegebedürftig gelten Menschen, die wegen einer Krankheit oder Behinderung für mindestens sechs Monate Hilfe im…
Ein Gesundheitsgerät neben dem Wort Aufruf in einem Ausrufezeichen.

Healy: Vorsicht vor falschen Gesundheitsversprechen

Bei den Verbraucherzentralen haben sich in den letzten Monaten die Beschwerden über das Produkt "Healy" gehäuft, weil selbstständige „Healy“-Vertriebspartner:innen behaupten, das Produkt würde etwa bei Multipler Sklerose, Depressionen, ADHS oder Hauterkrankungen helfen. Diese Heilsversprechen sind nicht haltbar.
Foto einer Frau, die auf einem Sofa sitzt und bestürzt in ein geöffnetes Paket schaut.

Shoppen auf Online-Marktplätzen: Verbraucher:innen erwarten sichere Produkte

Die Mehrheit der Verbraucher:innen erwartet, dass die Produkte auf Online-Marktplätzen sicher und gesetzkonform sind – und sehen die Plattformbetreiber in der Verantwortung. Das zeigt eine Befragung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Aktuell sind Plattformen nicht in der Pflicht, Produktsicherheit zu gewährleisten.
Lachender Mann mit Geldscheinen in der Hand

Vergleich mit primaholding-Unternehmen: Letzte Chance für Verbraucher:innen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat mit primastrom, voxenergie und nowenergy einen Vergleich geschlossen. Es ging dabei um überhöhte Preise und unangemessene Vertragslaufzeiten. Noch bis zum 31. Dezember 2024 können Sie sich an die Unternehmen wenden und sich auf den Vergleich berufen.